Anmeldung: Gewerbe oder Freiberuflichkeit?
Für die Anmeldung als Make-up Artist gibt es im Grunde zwei Optionen:
1) Gewerbe anmelden
2) Freiberufliche Tätigkeit anmelden
1) Freiberuflichkeit
Die Abgrenzung zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern ist oftmals schwierig, da viele Tätigkeiten sowohl Merkmale der freiberuflichen Tätigkeit, als auch des Gewerbes haben. Hinzu kommt, dass wir als Make-up Artists einem Beruf nachgehen, der (noch) nicht geschützt ist und somit die meisten Regelungen Auslegungssache sind.
Laut § 18 aus dem Einkommenssteuergesetz (EStG) steht bei Freiberuflern die geistige und schöpferische Arbeit im Vordergrund. Es fallen insbesondere selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten in die Freiberuflichkeit.
Im § 18 EStG sind alle freiberuflichen Tätigkeiten als Katalog (Katalogberufe) aufgeführt. Selbständige, die in einem der aufgeführten Berufe tätig sind, zählen zu den Freiberuflern.
Unter den katalogähnlichen Berufen, die eine Erweiterung der Katalogberufe darstellen, ist der/die Visagist/in aufgeführt. (Ich persönlich unterscheide nicht zwischen Visagisten und Make-up Artists, da zweiteres für mich einfach die englische und internationale Bezeichnung darstellt. Lies dazu am besten meinen Blogartikel “Der vermeintliche Unterschied zwischen Make-up Artists und Visagisten”, in dem ich darauf eingehe, was die gängige Unterscheidung der beiden Begriffe ist.)
Somit könnte man meinen, dass wir als Make-up Artist zweifelsfrei zu den freien Berufen gehören. Dennoch sind die meisten meiner Kollegen in der Handwerkskammer eingetragen und führen ein Gewerbe.
2) Gewerbe
Die Rechtsgrundlage für Gewerbetreibende bildet die Gewerbeordnung. Dabei ist als „Gewerbe“ jede selbstständige, planmäßige, auf Dauer und Gewinnerzielung angelegte Tätigkeit definiert.
Du merkst also, die Unterscheidung zur Freiberuflichkeit ist eher vage.
Im engeren Sinn erfasst der Begriff des Gewerbes insbesondere Industrie und Handwerk, das heißt vor allem das produzierende, verarbeitende und dienstleistende Gewerbe.
Wenn du einen Beruf ausüben möchtest, der in eine dieser Kategorien fällt, musst du entweder bei der IHK (Industrie- und Handelskammer) oder der HWK (Handwerkskammer) ein Gewerbe anmelden.
In der Handwerksrolle werden sämtliche Betriebe erfasst, die im zulassungspflichtigen Handwerk (Anlage A der Handwerksordnung) tätig werden. Neben der Handwerksrolle verwalten die Handwerkskammern auch die Verzeichnisse der zulassungsfreien Handwerke (Anlage B1 der Handwerksordnung) sowie der handwerksähnlichen Gewerbe (Anlage B2 der Handwerksordnung).
Die Liste der handwerksähnlichen Gewerbe ist so ähnlich wie die Liste katalogähnlicher Berufe der Freiberufler. Unter den handwerksähnlichen Gewerbe ist der/die Kosmetiker/in aufgelistet.
Da Schminken einen Teil der Ausbildung von Kosmetikern ausmacht, werden wir als Visagisten von der Handwerkskammer oft als handwerksähnliches Gewerbe eingestuft und fallen somit unter die Handwerksordnung.
Künstler oder weisungsgebunden?
In einem Urteil des Finanzgerichts Hamburg aus dem Jahr 1992 wurde Folgendes beschlossen: Eine Visagistin kann eine künstlerische Tätigkeit ausüben, wenn die Arbeit nicht bloß das Produkt handwerksmäßig erlernter bzw. erlernbarer Tätigkeiten darstellt, dass der Visagistin im Rahmen des von den Auftraggebern vorgegebenen Rahmens Raum für eine eigenschöpferische Tätigkeit verbleibt und die Werke den Stempel ihrer Persönlichkeit tragen.
In eigenen Worten heißt das: Wenn deine Kunden dir den Look nicht vorgeben, sondern du eigenständig entscheidest, wie das Styling wird, bist du nicht weisungsgebunden und somit künstlerisch tätig.
Außerdem wird hier von einem Kunsthandwerk gesprochen, wenn die Produkte zweckorientiert mit hohen Ansprüchen an die Ästhetik, während bei einer rein künstlerischen Tätigkeit der Wert der Kunst höher ist als der Gebrauchswert.
Bei einem Handwerk sei das Können erlernbar, eine künstlerische Tätigkeit erfordere nicht zwingend besondere technische Fertigkeiten.
Aus diesem Grund werden Visagisten, die hauptsächlich für Privatkunden arbeiten und deren Wünsche umsetzen, eher zu den handwerksähnlichen Berufen und damit zu den Gewerbetreibenden gezählt.
Make-up Artists, die vorwiegend von gewerblichen Kunden beauftragt werden und bei der Arbeit am Set größere kreative Freiheiten genießen, können demnach unter die freien Berufe fallen.
Meiner Meinung nach ist die Abgrenzung schwierig, da auch Hairstylisten für Werbe-, Business- oder Editorialaufträge das Haarstyling lernen müssen und das Beherrschen der Techniken unabdingbar für ein gutes Ergebnis ist.
Vorteile von Freiberuflern
Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit sehr hohen Anforderungen und auch mit Kosten verbunden.
Für die Aufnahme einer selbständigen freiberuflichen Tätigkeit reicht eine Mitteilung ans Finanzamt. Als Gewerbetreibende/r musst du dich beim zuständigen Gewerbeamt anmelden und bekommst einen Gewerbeschein.
Zu den Vorteilen der Freiberufler gehört, dass diese keine Gewerbesteuer abführen müssen. Es kann aber besonders am Anfang der Tätigkeit sein, dass eine Steuerzahlung auf Grund der hohen Grenzen nicht fällig wird. Außerdem wird die Gewerbesteuer anteilig auf die Einkommensteuer angerechnet und stellt somit keine Doppelbelastung dar.
Haare stylen ohne Friseurmeister
Ein anderer möglicher Vorteil, ist dass man nicht bei einer Handwerkskammer gemeldet ist, was beim Thema Hairstyling hilfreich sein kann, da es hier ohne Friseurmeister keine Ausübungsberechtigung gibt.
Das bedeutet, nicht einmal ausgebildete Friseure dürfen im Privatkundenbereich Haare stylen.
Es gibt zwar die Möglichkeit eine Ausnahmebewilligung gemäß § 8 HwO zu erhalten, diese ist jedoch ebenfalls mit Kosten und bestimmten Voraussetzungen (Vorliegen eines Ausnahmefalls & notwendige Fertigkeiten (siehe Screenshots unten) verbunden.
Da es in Deutschland insgesamt 53 regionale Handwerkskammern gibt, kommt es leider immer wieder zu Unterschieden in der Handhabung mit diesem Thema und der Einschätzung der Tätigkeit. In manchen Bundesländern ist es sehr einfach, diese Prüfung abzulegen und die Ausnahmebewilligung zu bekommen. In anderen wird diese Option gar nicht angeboten.
Durch meine Gespräche mit anderen Visagisten weiß ich, dass die Behandlung sehr subjektiv ist und stark vom Sachbearbeiter und der HWK abhängt, der dafür zuständig ist.
Erfahrungen der Community mit der unterschiedlichen Handhabung der Handwerkskammern in Bezug auf die Ausnahmebewilligung
Macht die Meisterpflicht hier Sinn?
Dass dieses Verbot überholt ist und in der Praxis keinen Sinn macht, zeigt folgendes Beispiel: Eine Stylistin darf keine Brautfrisuren an ihren Bräuten erstellen, weil diese Art der Tätigkeit als Gewerbe eingestuft wird. Bei Coachings und Workshops darf sie jedoch genau die gleichen Frisuren erstellen und anderen beibringen wie es geht, weil diese Tätigkeit zur Freiberuflichkeit zählt.
Wie genau wird der Kundin dann mehr geschadet, als den Models im Coaching?
Ich verstehe die Meisterpflicht in Berufen, die wirklich Schaden verursachen können. Wenn ein Maurer keine Ahnung von seiner Arbeit hat und infolgedessen ein Haus einstürzt, würde ich den Schaden deutlich höher einstufen, als eine Braut, die eine hässliche Frisur ertragen muss. 🤔
Eine dauerhafte Veränderung wie geschädigte Haare durch eine falsche Colorierung oder zu kurz geschnittene Haare würde ich ja noch einsehen, ist aber kein Teil der Arbeit einer Brautstylistin.
Der einzig mir schlüssige Grund, warum die Handwerkskammern an diesem Verbot festhalten, ist die Kontrolle über den Wettbewerb. Meiner Meinung nach sollte es das in einer freien Marktwirtschaft nicht geben.
Ein anderes Argument der Handwerkskammer ist, dass dadurch die Qualität gesichert wird, weil eine Friseurausbildung mit anschließendem Meister viel länger dauert als eine Ausbildung zur Brautstylistin.
Doch auch hier gibt es genügend Beispiele von Friseuren, die entweder gar keine Lust auf Brautfrisuren haben, oder diese nicht so gut beherrschen wie “ungelernte” Brautstylisten und sogar bei diesen Weiterbildungen machen.
Weitere Erfahrungen und Nachrichten, die ich von anderen Visagisten und Make-up Artists zu dem Thema bekommen habe
Ich verstehe auch nicht, warum bei Brautfrisuren und Frisuren für Foto- oder Videoproduktionen ein Unterschied gemacht wird. Zum einen bleibt mir auch bei Bräuten ein wesentliches Mitspracherecht beim Stylen der Frisur, zum anderen bin ich auch bei Fotoproduktionen an die Wünsche und Vorstellungen meiner Kunden gebunden.
Ich sehe hier keine logischen Unterschiede, die die unfaire Handhabung bei Brautstylisten begründen.
Umgekehrt gibt es keine Hürden: Jeder darf Make-up anbieten! Friseure lernen zwar in ihrer Ausbildung, wie man schminkt, das ist aber in der Tiefe und Dauer nicht mit einer Make-up Artist Ausbildung gleichzusetzen.
Soll jemand ernsthaft eine dreijährige Friseurausbildung mit anschließendem Meister machen, der ungefähr 7000€ kostet, nur um dann Locken aufwickeln und Haare hochstecken zu dürfen? Besonders wenn diese Person bereits mehrere Weiterbildungen gemacht, sich auf diese Frisuren spezialisiert hat und sie besser beherrscht als viele Friseurmeister? Willkommen in Deutschland!
Ich hoffe sehr, dass diese altmodische Regelung irgendwann reformiert wird und es vor allem Brautstylisten einfacher gemacht wird, ihrer Berufung nach zu gehen.
Lösung des Problems
Eine Möglichkeit, wenn du weiter Haarstylings anbieten möchtest und sichergehen willst, dass du alles richtig machst, ist dir einen Friseurmeister als Geschäftspartner zu suchen. Das kann laut existenzgruender.de ein gemeinsames Gewerbe oder eine auftragsbezogene Zusammenarbeit sein, denn dann haftet dieser mit seinem Meisterbrief. Ist in der Praxis aber nicht so optimal.
Ein für beide Seiten guter Kompromiss wäre doch, eine einheitliche Prüfung für alle ohne Meister einzuführen, die dazu qualifiziert, als Brautstylist arbeiten zu dürfen.
Die HWK hätten dadurch die Sicherung der Qualität sowie eine große Einnahmequelle erreicht, während die Brautstylisten eine verbindliche Erlaubnis und Sicherheit erhalten würden, um ihrem Beruf ohne Existenzängste nachzugehen und ihre Kunden glücklich zu machen.
Wenn du jemanden kennst, der so etwas in Gang bringen könnte oder du selbst bei einer Handwerkskammer arbeitest und etwas bewegen möchtest, melde dich doch gerne bei mir!
Was sind die Folgen?
Bei mir war es so, dass ich ein Jahr nach meiner Ausbildung mein Gewerbe als Visagistin angemeldet habe. Mittlerweile habe ich mein Gewerbe abgemeldet und bin als Freiberufler tätig, da sich meine Jobs vermehrt vom Brautstyling zur Arbeit für Foto- und Videoproduktionen verlagert haben.
Wenn du nur als Brautstylistin arbeiten möchtest und dein Gewerbe als Visagistin oder Make-up Artist angemeldet hast, kann es dazu kommen, dass du geprüft wirst oder dass jemand dich bei der HWK meldet. In diesem Fall solltest du dich an einen Anwalt wenden und gemeinsam entscheiden, wie ihr bei deinem individuellen Fall weiter vorgeht.
Ich kenne aber auch Brautstylisten, die direkt Mitglied bei der IHK geworden sind. Ob das in deinem persönlichen Fall möglich ist, kann ich dir nicht sagen.
Zu allen rechtlichen Themen solltest du dich bei einem Anwalt, Steuerberater, der HWK oder dem Finanzamt informieren. Meine Infos stellen hier keine verbindliche Beratung dar, sondern sind lediglich Erfahrungswerte, die ich selbst über die letzten Jahre im Austausch mit anderen Make-up Artists gesammelt habe.
Wann der richtige Zeitpunkt für eine Selbständigkeit ist und wie du dich erfolgreich als Make-up Artist etablierst, habe ich ausführlicher in meinem MUA Erfolgsguide für dich beschrieben.
Was ist deine Meinung zu diesem Thema? Ich freue mich über weitere Erfahrungsberichte und hoffe, dass wir damit etwas bewegen können!
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4 Antworten
Hallo,
Ich wollte sie einmal fragen ob sie auch haare schneiden und färben oder, ob sie nur frisieren.
LG Miriam.Kampen
Ich habe gerade gelesen bezüglich der Ausnahnahmebewilligung der Friseure.
Wer hat den die Sachkundeprüfung abgelegt und könnte mir Auskunft geben was da so alles verlangt wird und wie ihr euch vorbereitet habt ?
Besten Dank.
Wahnsinn undurchsichtig dieses Thema. Ich habe auch die Sorge, dass man direkt von der HWK abgemahnt wird, wenn man sich nach einer Ausnahme erkundigt und abgelehnt wird.
Ja, da stimme ich dir zu. Allerdings finde ich auch, dass wir man versuchen sollte, etwas daran zu ändern und sich nicht nur einschüchtern lassen darf. Sonst wird es sich leider nie zum Besseren verändern.